Gendern – wozu?
Gendern ist, sehr allgemein gesprochen, ein sprachliches Verfahren, um Gleichberechtigung, d. h. die gleiche und faire Behandlung von Frauen und Männern im Sprachgebrauch, zu erreichen. Gendern bedeutet somit die Anwendung geschlechtergerechter Sprache. Mit dieser Definition (S. 7) beginnt das erste Kapitel des Ratgebers „Gendern – Ganz einfach!“ aus dem Dudenverlag. Ich möchte hinzufügen, dass es auch um die Schönheit der Sprache geht. Zur Schönheit einer Sprache gehören nicht nur Klang und Sprachfluss, sondern auch Klarheit und Präzision. Daher ist das Streben nach geschlechtergerechter Ausdrucksweise durchaus im Sinne der Sprachpflege. Zu vermeiden ist aber eine bürokratische Umständlichkeit, die den schriftlichen und mündlichen Ausdruck unnötig erschwert.
Sinnvoll gendern
Der vorliegende Ratgeber fasst verständlich und übersichtlich den aktuellen Stand der gängigen Genderisierung des Deutschen zusammen und kann somit als Ratgeber für die Kommunikation mit Institutionen und Firmen dienen, die eine gegenderte Schreibweise verlangen. Die vorgeschlagenen sprachlichen Mittel entsprechen teilweise einer „politisch korrekten“ bürokratischen Sprechnorm putty download windows , die nicht nur die Benutzbarkeit der Sprache erschwert, sondern auch kaum eine Chance hat, Teil einer lebendigen Alltagssprache zu werden. Hierbei denke ich vor allem an die übertriebenen Doppelnennungen für weibliche und männliche Personen, denen das Buch viel Raum einräumt.
Andererseits enthält der schmale Band eine ganze Reihe sinnvoller und leicht einzusetzender Tipps für eine geschlechtergerechte Schreibweise, die ich gerne als Anregung für folgende Empfehlungen nehme:
Elegant gendern
Adjektive und Partizipien:
Geflüchtete, Studierende, Gesunde und Kranke
Sachbezeichnung statt Personenbezeichnung:
Leitung, Quelle, Presse, landwirtschaftliche Betriebe (statt Leiter/-in, Informant, Journalisten, Landwirte)
Geschlechtsneutrale Ausdrücke:
der Mensch, der Fan, der Gast
die Person, die (Fach-, Hilfs-)Kraft
das Mitglied, das Opfer, das Gegenüber
Vermeidung des Pronomens „der“:
Wer einen Mord begeht, der wird bestraft.
Plural statt Singular:
Alle, die ein Programmheft kaufen, erhalten zusätzlich einen Gutschein. (statt: Jeder, der …)
Direkte Rede:
Sie erhalten umgehend eine Bestätigung. (statt: Der Antragsteller erhält …)
Dringlichkeit des Genderns
Die Autorinnen des Buches unterscheiden zwischen verschiedenen Graden der Dringlichkeit des Genderns (S. 47 ff.). Höchste Genderrelevanz besteht, wenn ich die Personen in direkter Rede anspreche. Und weiter:
Wenn wir eine konkrete Person oder Personengruppe meinen, dann sprechen wir von spezifischer Referenz. Da wir wissen, von wem wir sprechen, ist in diesem Fall geschlechtergerechte Sprache ein absolutes Muss (S. 48).
– Die Postbotin ist heute eine Stunde später gekommen.
Im Gegensatz dazu gibt es Fälle ohne klaren Bezug zu bestimmten [spezifischen] Objekten. Das nennen wir nichtspezifische Referenz.
– Egal wo ich bin: jeden Tag läuft mir ein Postbote über den Weg.
Ideologische Gegner der Genderisierung ergehen sich gern in Parodien, bei denen sie alle möglichen Personen doppelt nennen und groteske Wortschöpfungen mit femininen Endungen erfinden. Dagegen weist der Begriff der Genderrelevanz meiner Ansicht nach den Weg zu einem vernünftigen Gebrauch geschlechtergerechter Sprache:
In direkter Rede
In einem anderen Kontext hingegen erwähne ich die „Freunde Alter Musik“ und meine damit alle, die sich für Alte Musik interessieren.
Spannende Beispiele
Besonders interessant finde ich die vielen Einzelbeispiele in Kapitel 6 „Häufige Zweifelsfälle“ und Kapitel 7 „Beispielanalysen“. Nicht alle Vorschläge des Buches halte ich für nachahmenswert und ich denke
, vieles daraus wird sich nicht durchsetzen. Bei den von mir angeführten positiven Beispielen hatte ich schon zum Teil Schwierigkeiten, diese wörtlich zu übernehmen und habe sie leicht angepasst. Trotzdem kann ich diesen Ratgeber allen empfehlen, die einen kurzen und prägnanten Überblick über das Thema wünschen. Es lohnt sich, über die Vorschläge der Autorinnen nachzudenken. Manches mag man gern übernehmen und manches mag als Anregung dienen, bessere Ideen zu entwickeln.Zum Weiterlesen
Diewald
, Gabriele und Steinhauer, Anja: Gendern – Ganz einfach! Berlin 2019 (Dudenverlag)